Es gehört schon eine gehörige Portion Mut und Entschlossenheit dazu, das erste Mal im Restaurant „Pinocchio“ im Kasseler Westen einzukehren: Die braunen Fliesen der Fassade sind mit Graffiti beschmiert, die Müllecke an der Straße wird notdürftig von einer Lamellenwand verdeckt, der ein Brandschaden so zugesetzt hat, dass der Blick ungehindert auf überquellende Mülleimer fällt und die Markise über der Eingangstür hat der Wind eingerissen. Nun denn, es gab wohl mal bessere Zeiten... Immerhin befindet sich das „Pinocchio“ schon seit 1972 an der Friedrich-Ebert-Straße und ich besuchte das italienische Traditions-Restaurant an einem Abend unter der Woche. Die Gasträume sind zwar weit entfernt von „chic“, aber dennoch ganz gemütlich eingerichtet und eine große Terrasse zur Querallee bietet viele Sitzplätze unter freiem Himmel. Die Speisekarte des Pinocchio ist „klassisch“ bunt gemischt: Pizzen, Pasta, Fleischgerichte und einige Fischspezialitäten werden um Antipasti, Salate und Suppen ergänzt, wobei das Preisniveau insgesamt sehr moderat ausfällt. Ich bestellte bei meiner überaus freundlichen und zugewandten Servicekraft eine große Pizza „Marinara“ zum Preis von 7,60 Euro und erhielt nach einer angemessenen Wartezeit eine solide Portion mit vielen Gamberetti, reichlich Tintenfischstreifen, Knoblauch und einem üppigen Käsebelag. Zwar in einer Pizzapfanne zubereitet, wie an den Rändern unschwer erkennbar, war der Boden dennoch erstklassig knusprig ausgefallen und überzeugte durch die Verwendung von gutem Olivenöl – absolut lecker, auch wenn dem Belag ein paar Muscheln zu einem runden Gesamteindruck fehlten. Als Dessert wählte ich eine hausgemachte Panna Cotta mit Karamell zum Preis von 3,90 Euro und erhielt eine unerwartete Referenzklasse: Endlich mal nicht so pappsüß, von einer lockeren Konsistenz und mit einem unverfälschten Sahne-Charakter – da dürften sich andere Restaurants von der Qualität durchaus eine Scheibe abschneiden! Zusammenfassend ist das Pinocchio ein schnörkelloser „Um-die-Ecke-Italiener“, der mit vielfältigem Angebot ein Stammpublikum anspricht, das zu fairen Preisen eine vernünftige Küche erwartet und sie hier auch bekommt. Netter Service und die Sommerterrasse sprechen für sich und lassen das „optische Katastrophenszenario“ des Außenbereichs vergessen.